16.06.2014

Wege ins Berufsleben

Eine Fallbeschreibung aus unserem Alltag von Vanessa Waller

Die nachfolgend genannten Namen wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert.

Der 14-jährige Teilnehmer Bastian M. wurde vor seiner Aufnahme in die WiB Maßnahme an einer Förderschule für soziale Entwicklung (E-Schule) beschult.

Innerhalb des Klassenverbundes hatte Bastian eine Außenseiterposition inne, die dadurch verstärkt wurde, dass er separaten Unterrichtsstoff erhielt. Die Schule sah sich nicht mehr in der Lage, den Bedürfnissen von Bastian adäquat nachzukommen und beschulte ihn zum Schluss nur noch 2 Stunden täglich.

Bastian ist das älteste von insgesamt vier Kindern, er hat drei jüngere Schwestern.

Die Familie ist insgesamt als sozial sehr schwach anzusehen, Mutter und Vater zeigten sich aber sehr aufgeschlossen und kooperativ, was die Aufnahme in die Maßnahme anging. Bastian schilderte die familiäre Situation als eher trostlos, seine Mutter kümmere sich weder um ihn, noch um die anderen Kinder. Er selbst sorge sich viel um seine kleinen Geschwister. Zum Vater unterhält Bastian scheinbar ein besseres Verhältnis, dieser sei jedoch oft unterwegs.

In einem ersten Eingangsgespräch, bei dem Eltern, Mitarbeiter des Kreisjugendamtes, zuständige Mitarbeiter aus dem Haus Christophorus, Mitarbeiter der psychosozialen Betreuung sowie Bastian teilnahmen, wurden erste Informationen ausgetauscht, sowie Hintergrundwissen und wichtige Details geklärt.

Bastian zeigte sich während des Erstgesprächs sehr interessiert und aufgeschlossen und wählte für den Beginn der Maßnahme den Metallbereich aus.

Nach einigen Wochen war jedoch klar, dass der Metallbereich Bastian nicht zusagt und er feinmotorisch nicht in der Lage ist, die Anforderungen zu bewältigen. So wechselte er nach einem Feedbackgespräch und mehreren Auswertungen in den Bereich Fachpraktiker Küche, wo er aktuell noch arbeitet.

Im intensiven Kontakt mit Jugendamt und psychosozialer Betreuung, sowie der Familie von Bastian, stellte sich heraus, dass alle Beteiligten Bastian vor Beginn der Maßnahme nur noch in einer Werkstatt für Behinderte sahen.

Seine Problematik äußerte sich in vielen Bereichen: so hatte Bastian beispielsweise nach eigenen Angaben keine Freunde und verbringe die meiste Zeit vor Video-Spielen und dem Computer. Dabei bevorzuge er Spiele ab 18 Jahren, die ihm sein Onkel besorge. Dies schlug sich auch sehr deutlich in seinem Verhalten nieder.

Im täglichen Kontakt stellten wir schnell fest, dass Bastian eine sehr enge Bindung an feste Personen braucht. Dies scheint ihm im familiären Leben zu fehlen. Solchen Personen schenkt er nach einiger Zeit durchaus Vertrauen und nimmt dies ebenso gut an. Im Laufe der Zeit öffnete Bastian sich immer mehr. Er schloss feste Kontakte und Freundschaften und wurde vollständig in die Gruppe integriert. Auch erlebte er im Rahmen des Alltags in unserem Haus seinen ersten Liebeskummer. sein Kleidungsstil und sein Verhalten änderten sich immer mehr. Aus einem verschüchterten, unscheinbaren jungen Menschen entwickelt sich gerade ein verantwortungsbewusster junger Mann.

Bastian stellt stets viele Fragen, die er beantwortet haben möchte. Er ist ein sehr betreuungsintensiver Teilnehmer, jedoch auf eine sehr höfliche und angenehme Art und Weise. Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass Bastian zuhause wenig Zuwendung und Wertschätzung erfährt. Dieses fordert er sich hier von uns ein.

Der Bereich des Fachpraktikers Küche liegt Bastian sehr. Er genießt die praktischen Einheiten und beteiligt sich rege an der Fachtheorie. Auch aus Sicht der betreuenden Ausbilderin könnte Bastian eine Ausbildung in diesem theorie-reduzierten Segment durchaus erfolgreich abschließen.

Im Bezug auf schulisches Wissen stellten wir fest, dass Bastians große Stärke im Bereich Mathematik liegt. Die größten Defizite bestehen im Bereich der Orthographie und im Schriftbild allgemein. Hier bekommt Bastian gezielte Übungsaufgaben, die er annimmt und deren Notwendigkeit er auch einsieht. Erste Fortschritte erkennt er schon nach kurzer Zeit. Bastian läuft in einem regulären Ausbildungsgang der Fachpraktiker Küche mit und ist aus der Gruppe schon nicht mehr wegzudenken.

Der Jugendliche befindet sich nun seit 8 Monaten in der Maßnahme und hat zum Erstaunen aller eine enorme Entwicklung begonnen. Er erscheint pünktlich, ist höflich und zuvorkommend und geht mit Spaß an die Arbeit.

Zu Beginn der Maßnahme wurde die Arbeitszeit auf 4 Stunden festgelegt, um zu eruieren, wie belastbar Bastian wirklich ist. Nach nur einigen Tagen kam Bastian aus eigenem Antrieb und äußerte den Wunsch, länger arbeiten zu dürfen. Die Arbeitszeit verlängerten wir auf 6 Stunden. Nach gewisser Zeit kam er wiederum und bat, doch bitte genauso lange arbeiten zu dürfen wie der Rest der Gruppe. Wir trafen daraufhin mit Bastian die Abmachung, dass wir die vollen 8 Stunden ausprobieren und gemeinsam schauen, ob er dieser Anforderung gewachsen ist. Es zeigte sich, dass Bastian die 8 Stunden sehr gut meistert und ihm die Gleichstellung innerhalb der Gruppe sehr gut tut.

Mittlerweile ist Bastian ein vollwertiges Mitglied der Gruppe. In mehreren Gesprächen mit dem zuständigen Mitarbeiter des Kreisjugendamtes steht einem Übergang von WiB zu A-Plus im Bereich Fachpraktiker Küche im Sommer 2014 nichts im Weg.

Bei Bastian zeigte sich, dass diese Art von Maßnahme genau die Richtige war und ist. Seine persönliche Entwicklung kann nur als positiv beschrieben werden und hat letztendlich zur Folge, dass Bastian aller Voraussicht nach mit einer vollwertigen und abgeschlossenen Berufsausbildung ins Arbeitsleben eingegliedert werden kann.

Vanessa Waller

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